70 Jahre Grundgesetz

70 Jahre Grundgesetz

Datum 25.05.2019 bis 25.05.2019

New York Grand Central Terminal

Am 23. Mai 1949 verkündete der Parlamentarische Rat in einer feierlichen Sitzung das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Der Sächsische Landtag und die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung würdigten das 70. Jubiläum des Grundgesetzes mit einer gemeinsamen Veranstaltung im Plenarsaal. Die Festrede hielt Prof. Dr. Dieter Grimm, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht.

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Mit einer gemeinsamen Feierstunde würdigten der Sächsische Landtag und die Landeszentrale für politische Bildung das Jubiläum "70 Jahre Grundgesetz".
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Mehr als 200 Gäste nahmen an der Feierstunde im Plenarsaal des Sächsischen Landtags teil.
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Die Festrede hielt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Dieter Grimm.
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70 Jahre Grundgesetz: Zum Jubiläum gab es natürlich auch das Grundgesetz in gedruckter Form.
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Die Viviendo Jazz-Band umrahmte die Feierstunde mit musikalischen Stücken aus der Zeit der Entstehung des Grundgesetzes.
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Martin Modschiedler (CDU) und Klaus Bartl (DIE LINKE) im Gespräch
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Für seine Ausführungen erhielt Prof. Dr. Dieter Grimm lang anhaltenden Applaus.
Detailansicht öffnen: Gäste singen die Nationalhymne
Mit dem gemeinsamen Singen der Nationalhymne endete die 90minütige Feierstunde im Landtag.
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Beim anschließenden Empfang gab es reichlich Gelegenheit zum Austausch, wie hier Freya Klier, Bürgerrechtlerin und Trägerin der Verfassungsmedaille, mit Dr. Roland Löffler, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung.
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Eröffnungsansprache: Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler

Nach Diktatur, Krieg und völligem Zusammenbruch trat am 23. Mai 1949 mit dem Grundgesetz die Bundesrepublik Deutschland in die Geschichte ein. So formulierte es damals Konrad Adenauer. Es begann, um bei Adenauers Worten zu bleiben, ein neuer Abschnitt in der wechselvollen Geschichte des deutschen Volkes. Und es begann die Zeit einer geteilten Nation. Erst 1990, als die DDR der Bundesrepublik Deutschland beitrat, wurde das Grundgesetz zur gesamtdeutschen Verfassung.

Grundgesetz ist ein historischer Glücksfall

In seiner Eröffnungsansprache erinnerte Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler vor über 200 Bürgerinnen und Bürgern an das historische Datum und an die Zeit bis zur deutschen Wiedervereinigung. Freiheit, Menschenwürde und Demokratie seien 1949 in einem Teil Deutschlands als unveränderbare Grundlage des Zusammenlebens festgeschrieben worden. Einst als Provisorium gedacht, stehe das Grundgesetz heute für die wiedervereinigte deutsche Nation und für die Freiheit vor der Diktatur. Es sei ein historischer Glücksfall sowie ein Erfolgsmodell in und für Europa. Grund- und Bürgerrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Minderheitenschutz seien Pfeiler der Verfassung und genau jene Ideen, die auch 1989 in der friedlichen Revolution intensiv aufgerufen wurden, gab der Landtagspräsident zu bedenken. Verantwortlich für den klugen Gebrauch der Verfassung zum Gedeihen von Demokratie und Freiheit sei indes die Gesellschaft. Jeder und jede Einzelne müsse aus der geschriebenen eine gelebte Verfassung machen.

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Grußwort Dr. Roland Löffler, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung

Rechtsrahmen und Sehnsuchtstext

Verfassungstage seien die Festtage der Demokratie, hob sein Nachredner, der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Dr. Roland Löffler, an. Man vergegenwärtige sich dann der Grundlagen von Demokratie und Rechtsstaat. Das Grundgesetz sei jedoch nicht nur ein Rechtsrahmen, sondern vielmehr ein Sehnsuchtstext. Seine Mütter und Väter hätten das große Bedürfnis gehabt, die Schrecken des Nationalsozialismus zu überwinden und auf ein friedliches Europa hinzuarbeiten. Auch wenn sich heute viele Menschen in Ostdeutschland die Frage stellten, warum es im Zuge der deutschen Einheit keine Verständigung über einen gemeinsamen Verfassungstext gegeben habe, so erscheine es ihm doch wenig sinnvoll, diese Debatte wieder neu anzufachen. Damit schätze man nur die Leistungsfähigkeit unserer Verfassung gering. Zudem sei Demokratie mehr als nur ein Rechtssystem, es sei eine Lebensform, die es permanent zu praktizieren gelte.

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Festrede: Prof. Dr. Dieter Grimm, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht

Verfassung als Konsensbasis

Der Festredner Prof. Dr. Dieter Grimm, von 1987 bis 1999 Richter am Bundesverfassungsgericht, begann mit einem Blick in die Geschichte. In Westdeutschland habe es eines langen „Aneignungsprozesses“ bedurft, bis das Grundgesetz die Wertschätzung erfahren habe, die es heute besitze. Erst Ende der 1970er Jahre habe die unverbrüchliche Identifikation mit dem Grundgesetz eingesetzt, freilich ohne, dass es an politischen Konflikten und Verfassungskonflikten gemangelt habe. Niemals aber hätten die Konfliktparteien den Boden der Verfassung verlassen. Das sei charakteristisch für die „alte“ Bundesrepublik gewesen, stellte Grimm fest. „Die Verfassung bewährte sich in den Zeiten heftigster politischer Auseinandersetzungen als Konsensbasis für die politischen Konkurrenten und ging daraus gestärkt hervor.“ Große Herausforderungen seien dem Grundgesetz indes erspart geblieben, anders als etwa der Weimarer Verfassung, die an ihren Umweltbedingungen zugrunde gegangen sei. Hinzu komme die wichtige Rolle des Bundesverfassungsgerichts. Es habe der Verfassung die „Relevanz in der Zeit“ verliehen, die sie aus sich heraus nicht haben könne. Zumal die Politik die Entscheidungen des Verfassungsgerichts befolgt habe.

Auf der Höhe der Zeit

Nach Ausführungen über die Rolle des Grundgesetzes bei der Wiedervereinigung 1990 und über die Vorbildfunktion, die es nach 1989 für viele Staaten Ost- und Mitteleuropas gehabt habe, widmete sich Grimm den aktuellen Perspektiven der deutschen Verfassung. Bisher sei das Grundgesetz „im Großen und Ganzen“ auf der Höhe der Zeit geblieben. Aber nicht jede der mittlerweile 63 Verfassungsänderungen habe das Grundgesetz verbessert, einige hätten es sogar unnötig aufgebläht. Die Aufblähung der Verfassung sei dabei ein „Demokratieproblem“. Schließlich würde alles, was auf Ebene der Verfassung geregelt sei, dem demokratischen Prozess entzogen. Es sei dann nicht mehr Thema, sondern Prämisse von Politik. Weshalb in Verfassungen nur die grundlegenden Prinzipien und Regeln stehen sollten. Je mehr man eine Verfassung mit Inhalten überhäufe, desto schmaler werde der Raum für demokratische Entscheidungen und umso folgenloser blieben Wahlen.

Abschließend widmete sich Grimm dem antitotalitären Konsens des Grundgesetzes. Sein Sinn liege in einem doppelten „Nie wieder“: ob mit Blick auf die Selbstzerstörung der Demokratie, wie 1933 geschehen, oder hinsichtlich der vollständigen Missachtung von Menschenrechten und individueller Autonomie, wie man sie in den zwölf Jahren nach 1933 erlebt habe. Nie wieder dürfe eine Gruppe herrschen, die für sich den Alleinvertretungsanspruch für das Volk erhebe und daraus das Recht ableite, ihre Auffassung ungehindert – auch gegen die Verfassung – durchzusetzen. Grundrechtsschutz und die grundrechtlich gesicherten Freiheiten dürfe man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen – nie wieder.

Die Redebeiträge der Feierstunde erscheinen als Heft im Rahmen der FESTAKT-Reihe für Sie zum Nachlesen.