Wahlen in Sachsen schon mit 16 Jahren?

Datum 25.10.2023

Eine junge Frau steckt einen Wahlschein in eine Wahlurne.

Anhörung im Ausschuss für Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung

Die Fraktion DIE LINKE möchte das Wahlalter bei Landtags- und Kommunalwahlen absenken

In einem Gesetzentwurf hat die Fraktion DIE LINKE vorgeschlagen, das Wahlalter in Sachsen herabzusetzen (Drs 7/12706). Der Entwurf sieht unter anderem Änderungen an der Sächsischen Verfassung, dem Sächsischen Wahlgesetz und der Sächsischen Gemeindeordnung vor. Am 25. Oktober 2023 beschäftigte sich der Ausschuss für Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung in einer öffentlichen Anhörung damit.

Fehlende Gesamtperspektive

Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Eckart Klein legte anfangs zunächst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dar. Er meinte, dass bei 16- und 17-Jährigen die Reife und Einsichtsfähigkeit für landes- und kommunalpolitische Fragen nur in Einzelfällen vorliege. Erst mit Anfang 20 gelinge es den meisten Menschen, komplexe Zusammenhänge zu berücksichtigen und kollidierende Interessen abzuwägen. Das Engagement gegen den Klimawandel belege dies nach Ansicht des Sachkundigen deutlich. Es zeuge eher von Kompromisslosigkeit in der Altersgruppe und weniger von einer Gesamtperspektive. Dem Vorschlag der LINKEN widerspräche zudem, dass rechtlich die Geschäftsfähigkeit erst mit der Volljährigkeit eintrete.

Keine Unterschiede ersichtlich

Der Politikwissenschaftler Arndt Leininger, Junior-Professor an der TU Chemnitz, hob hervor, dass der Gesetzentwurf wohl darauf abziele, in Sachsen die gleichen Voraussetzungen zu schaffen, wie in vielen anderen Bundesländern. Er sprach keine konkrete Empfehlung für ein Wahlalter ab 16 Jahren aus, wies aber auf positive Nebeneffekte eines Absenkens hin: Es sei jungen Menschen schwer zu vermitteln, warum sie zur Europawahl ihre Kompetenz beim Wählen demonstrieren dürften, man ihnen diese zur Landtagswahl jedoch nicht zuerkenne. Die häufig benannte fehlende politische Reife sei in aktuellen Studien zu politischem Wissen und politischem Interesse nicht nachweisbar. Im Vergleich von 16- und 20-Jährigen zeigten sich keine Unterschiede, ebenso wenig beim Vergleich von sächsischen und brandenburgischen Jugendlichen, während letztere bereits wählen durften. Er erörterte sodann, die Auswirkungen auf die Wahlergebnisse dürften zu vernachlässigen sein, aber langfristig könne es positive Effekte auf die Wahlbeteiligung geben.

In anderen Bundesländern möglich

Dr. Dominik Lück, Fachanwalt für Verfahrensrecht, erwiderte, eine Absenkung des Alters für das aktive Wahlrecht auf 16 Jahre sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und werde in mehreren anderen Bundesländern praktiziert. Juristische Gegenargumente seien vor Gerichten in Baden-Württemberg und Thüringen bereits entkräftet worden. Er führte aus, dass den Jugendlichen die politische Einsichtsfähigkeit nicht grundsätzlich abgesprochen werden könne. Ferner sei die Wahlberechtigung nicht daran geknüpft, sich fortlaufend aktiv mit politischen Debatten zu befassen. Eltern könne nicht unterstellt werden, ihren fast volljährigen Kindern mit Zwang in deren politische Entscheidungsfreiheit einzugreifen. Ob sich Jugendliche stärker von populistischen oder extremen Politikangeboten mitreißen ließen, sei für die Frage des Wahlalters verfassungsrechtlich unerheblich. Im freien Parteienwettbewerb gelte es dann, Jugendlichen gute Angebote zu machen. Das sei doch im Kern demokratisch.

Die kommunalen Spitzenverbände legten schriftliche Stellungnahmen zur Anhörung vor und sprachen sich darin jeweils gegen die Absenkung des Wahlalters aus. Der Verfassungsausschuss wird den Gesetzentwurf in einer seiner nächsten Sitzungen abschließend beraten.

Der Haushalts- und Finanzausschuss sprach sich schließlich für den Gesetzentwurf aus. Er leitete ihn mit einer Beschlussempfehlung an das Plenum zurück, das abschließend darüber abstimmen wird.

Sachkundige

  • André Jacob, geschäftsführendes Präsidialmitglied Sächsischen Landkreistag e. V. (schriftliche Stellungnahme)
  • Prof. Dr. jur. Eckart Klein, Universitätsprofessor i. R., Universität Potsdam (per Videozuschaltung)
  • Jun.-Prof. Arndt Leininger, Junior-Professor für Politikwissenschaftliche Forschungsmethoden
  • Technische Universität Chemnitz
  • Dr. Dominik Lück, Rechtsanwalt, FA für Verwaltungsrecht
  • Mischa Woitscheck, Geschäftsführer Sächsischer Städte- und Gemeindetag e. V. (schriftliche Stellungnahme)

Protokoll/Anhörungsvideo

Hier gelangen Sie zum Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung bzw. zum Video.

Autorin: Janina Wackernagel