Vielfalt oder Konzentration?

Datum 18.01.2024

Übersicht vom Plenarsaal.

Anhörung im Ausschuss für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft

Preisgrenzen für Böden und Erbrecht Themen im Landwirtschaftsausschuss

Gleich zwei Gesetze zur Entwicklung der sächsischen Landwirtschaft behandelte der Ausschuss für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft am 18. Januar 2024. Die Staatsregierung hatte die Entwürfe für ein Agrarstrukturgesetz (Drs 7/14655) sowie ein Höfegesetz (Drs 7/14661) vorgelegt. In einer fast fünfstündigen Anhörung diskutierten die Teilnehmer die Inhalte und Positionen der insgesamt 13 geladenen Sachkundigen.

Das Ziel der eingebrachten 
Gesetzentwürfe ist es, regional verbundene landwirtschaftliche Betriebe zu stärken, die bestehende Vielfalt in der sächsischen Agrarstruktur zu bewahren und landwirtschaftlich nutzbare Böden zum Zwecke der Ernährung der Bevölkerung zu erhalten. Das Sächsische Agrarstrukturgesetz soll den Zugang zu Agrarflächen für ortsansässige Landwirte erleichtern, den Erwerb für außerlandwirtschaftliche Investoren erschweren und den Zugriff auf landwirtschaftliche Nutzflächen für Großinvestoren begrenzen.
Damit soll eine übermäßige Flächenkonzentration in der Hand einzelner Akteure vermieden werden. Betriebe dürften dann nicht auf über 2 500 Hektar anwachsen. Das Agrarstrukturgesetz soll ferner die Preisentwicklung beim Weiterverkauf von Flächen begrenzen.

Das Höfegesetz schafft Sonderregelungen im Erbrecht. Landwirtschaftliche Familienbetriebe können damit auf nur einen Erben übergehen. Im Erbfall könnte der Betrieb fortgeführt werden, ohne dass dieser zerschlagen wird. Im Gegenzug werden Miterben mit Ausgleichszahlungen abgefunden. Diese können dann laut Gesetzentwurf nicht anhand des Verkehrswertes eines 
landwirtschaftlichen Betriebs, sondern aus einem Anteil des Ertragswerts berechnet werden. Das Gesetz ist freiwillig anwendbar. Eigentümer können sich auf Wunsch auch dem allgemeinen Erbrecht unterwerfen.

 

Kapital und Wachstum ausdrücklich erwünscht

Gleich mehrere Sachkundige aus sächsischen Landwirtschaftsbetrieben kritisierten die Gesetzentwürfe. Marco Birnstengel, Geschäftsführer eines Oberlausitzer Agarbetriebes, sprach sich gegen Obergrenzen für Betriebsgrößen aus. Dies müsse der Markt regeln. Es sei ein politisches Narrativ, nur kleine Betriebe als gut und umweltfreundlich einzuordnen. Der Verkauf von landwirtschaftlichen Nutzflächen diene teilweise auch der Alterssicherung von Landwirten. Die Begrenzung der Preisentwicklung von Grundstückswerten wirke sich negativ auf Kreditangebote aus. Dr. Andreas Eisen vom Genossenschaftsverband stimmte dem zu und fügte an, dass mit dem Agrarstrukturgesetz die Entwicklung des landwirtschaftlichen Mittelstands behindert werde. Es würde außerlandwirtschaftliches Kapital aus der Landwirtschaft heraushalten. Damit ignoriere man die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft in Sachsen.

Henryk Schultz vom Sächsischen Landesbauernverband führte verschiedene Statistiken an, nach denen im bundesweiten Vergleich bei Monopolisierung oder Bodenpreisen in Sachsen keine Gefahr bestünde. Die Preise würden sich nicht wesentlich anders entwickeln als die allgemeinen Verbraucherpreise. Bei den Pachtpreisen sehe er ebenfalls keinen Anlass, regulierend einzugreifen. Die Zahl der Betriebe in Sachsen habe sich überdies zwischen 2010 und 2022 um 300 erhöht. Das beabsichtigte Höfegesetz sei nicht nur unnötig, es benachteilige obendrein die weichenden Erben. Es greife zu stark in Familienangelegenheiten ein, befand Hartwig Kübler, Vorstandsvorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst in Sachsen und Thüringen. Prof. Dr. Antje Tölle, Deutsche Gesellschaft für Agrarrecht, meinte hingegen, bei dem Gesetzentwurf handele es sich um eine abgewogene Regelung, die obendrein noch freiwillig sei. Kleine Betriebe könnten sich damit absichern, im Erbfall nicht aufgeteilt zu werden.

 

Spekulative Tendenzen bei Bodenpreisen

Der Sachkundige Jobst Jungehülsing wies darauf hin, dass Novellen des Landwirtschaftsrechts aus den 1960er-Jahren zwingend notwendig seien. Er sprach sich für eine breite Eigentumsstreuung bei Agrarflächen aus. Im bundesdeutschen Schnitt sei diese zwar vorhanden, aber in den ostdeutschen Ländern seien massive Konzentrationstendenzen zu erkennen. Die Obergrenze von 2 500 Hektar pro Betrieb in Sachsen sei doch recht hoch und aus seiner Sicht eine moderate Regelung. Dies entspreche auch Obergrenzen in ähnlich großen Regionen der EU. Er hob hervor, die Bodenpreise in Sachsen seien im Vergleich zu den Gewinnen der Betriebe unverhältnismäßig gestiegen. Mit dem Besitz landwirtschaftlicher Flächen habe man 2022 in Sachsen fünfmal so viel verdienen können, wie mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit an sich. Dies spreche für deutliche spekulative Tendenzen. Damit verbessere sich sicherlich die Kreditwürdigkeit der Betriebe, doch in Sachsen gehörten ohnehin 71 Prozent der Fläche nicht den Landwirten selbst, sondern anderen Bodeneigentümern. Patrick Rückert von der Großdrebnitzer Agrarbetriebsgesellschaft stimmte zu. Ohne Schutzmechanismen würden Bodenverkaufswerte weiter künstlich von Investoren in die Höhe getrieben. Er plädierte sogar für noch strengere Preisobergrenzen, denn die meisten Landwirte hätten keine großen Rücklagen für Ankäufe. Reiko Wöllert von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Thüringen arbeitete in seinem Referat die wirtschaftlichen Folgen von Investorenübernahmen heraus. Seiner Meinung nach fielen damit Arbeitsplätze vor Ort weg, Steuern würden nur am Firmensitz gezahlt, jahrzehntelang gepflegte Strukturen gingen verloren. Auffällig sei, dass insbesondere gut laufende Betriebe verkauft würden.

 

Gesamtgesellschaftliche Betrachtung wichtig

Der Rechtsanwalt Thomas Rüter fasste die in der Anhörung zutage getretenen Interessengegensätze hilfreich zusammen: Die Landwirtschaft habe einerseits Markt- und Wachstumsinteressen. Andererseits gebe es in diesem Politikfeld weitere Interessen, wie etwa die Begünstigung regionaler Betriebe, die Belange der ländlichen Sozialstruktur sowie der Ökologie und Nachhaltigkeit. Aus seiner Sicht habe die Staatsregierung den Gesetzentwurf ausgewogen gestaltet. Er ergänzte, Preisbremsen seien nicht per se als unverhältnismäßiger Markteingriff zu bewerten, sondern in der sozialen Marktwirtschaft ein berechtigtes Mittel der Entschärfung.

 

Sachkundige

  • Dipl.-Ing. agr. Marco Birnstengel, Geschäftsführender Gesellschafter Landbewirtschaftung Wesenitztal GmbH
  • Dr. Andreas Eisen, Bereichsleiter Genoverband e.V.
  • Dipl.-Ing. Agrar Jobst Jungehülsing, Ministerialrat a. D. Bundesministerium für Ernährung und
    Landwirtschaft bis 2023 (per Videozuschaltung)
  • Dr. agr. Hartwig Kübler, Vorstandsvorsitzender Familienbetriebe Land und Forst in Sachsen und Thüringen
  • Veronika Müller, Stellvertretende Geschäftsführerin Sächsischer Landkreistag
  • Sonja Müller-Mitschke, Referatsleiterin des Referats „Verwaltungs-und Rechtsangelegenheiten“ der Landwirtschaftsabteilung, Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg
  • Dr. Thomas Rincke, Fachanwalt für Agrarrecht (schriftliche Stellungnahme)
  • Patrick Rückert, Geschäftsführer Großdrebnitzer Agrarbetriebsgesellschaft mbH
  • Thomas Rüter, Rechtsanwalt Hohage, May und Partner mbH
  • Dipl.Ing.agr. Henryk Schultz, Sächsicher Landesbauernverband e.V.
  • Prof. Dr. Antje Tölle, Hochschule für Wirtschaft und Recht / Deutsche Gesellschaft für Agrarrecht
  • Max Vörtler, Sächsischer Städte- und Gemeindetag (schriftliche Stellungnahme)
  • Reiko Wöllert, Landesgeschäftsführer Thüringen AbL - Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft

 

Protokoll/Anhörungsvideo

Hier gelangen Sie zum Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung bzw. zum Video.

 

Autorin: Janina Wackernagel